Fremdenhass in der Bibel? Was wirklich drinsteht

Nahaufnahme von Schachfiguren, die auf einem Schachbrett aufgereiht sind, mit einer dunklen Figur zwischen hellen Figuren.

Wer glaubt, die Bibel dulde Fremdenhass, nationale Abschottung oder die Forderung nach kultureller Reinheit, der irrt sich. Wer wirklich hineinschaut, wird überrascht sein. Die Bibel ist kein Manifest für Ausgrenzung. Sie ist vielmehr eine Geschichte von Migration, Flucht, Integration – und radikaler Mitmenschlichkeit. Wer das ignoriert, verliert den Blick für das, was Gott wirklich wichtig ist.

Ein Volk aus Fremden

Gastarbeiter

Die Israeliten waren zuerst Migranten.

Abraham war ein Nomade. Er lebte als Fremder in Kanaan und später in Ägypten (1. Mose 12). Seine Nachkommen, die Israeliten, wurden zu einer ethnischen Minderheit in einem fremden Land – 430 Jahre lang (2. Mose 12,40). Ihre Erfahrung als „Gastarbeiter“ und unterdrückte Minderheit hat sich tief in ihre kollektive Identität eingegraben. Vielleicht deshalb spricht Gott so oft davon, den Fremden zu achten. Er weiß, wie sich Fremdsein anfühlt (2. Mose 22,20).

Gottes Gesetz: Schutz für Fremde

Die alttestamentlichen Gesetze sind sehr klar: „Wenn ein Fremdling bei euch in eurem Land wohnt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Wie ein Einheimischer unter euch soll euch der Fremdling gelten, der bei euch wohnt, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen im Land Ägypten“ (3. Mose 19,33-34; siehe auch 2. Mose 22,20). Das ist kein moralischer Appell. Es ist ein Befehl. Gott begründet ihn nicht mit Globalisierung, sondern mit der Erinnerung an Erlebtes. Wer weiß, wie es ist, fremd zu sein, soll andere nicht ausgrenzen.

#

Integration – mit Bedingungen, aber möglich

Die Integration ins Volk Israel war an Bedingungen geknüpft. Fremde sollten sich an die religiösen Gebote halten. Doch sie wurden nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Rahab, die Kanaaniterin, und Rut, die Moabiterin, wurden aufgenommen – und gehören heute sogar zur Stammlinie Jesu (Matthäus 1,5). Jesus selbst hatte also Vorfahren, die keine Israeliten waren. Und er war auch einmal ein Flüchtling: Seine Familie floh mit ihm nach Ägypten (Matthäus 2,13-15).

Von Integration zu Abschottung

Erst nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil änderte sich etwas. Die Vermischung mit anderen Völkern hatte oft auch zu einer Übernahme fremder Götter geführt. Das wollte man jetzt unbedingt vermeiden. Man schottete sich von den „unreinen“ Heiden ab, anstatt sie durch Liebe und gutes Beispiel für den eigenen Glauben zu gewinnen.

Abschottung

Die Angst vor Kompromissen im Glauben führte zur radikalen Abgrenzung von anderen Völkern.

In der Zeit Jesu hatte sich dieses Muster schon sehr verfestigt, besonders durch den Einfluss der Pharisäer. Nichtjuden galten als “unrein” (Apostelgeschichte 10,28), wurden sogar „Hunde“ genannt, eine drastische Bezeichnung. Jesus zitiert sie zwar in Markus 7,24-30, hinterfragt sie aber bewusst und bricht sie durch seine Reaktion auf. Das zeigt: Jesus übernimmt diese Sichtweise nicht. Im Gegenteil: Er sprengt sie.

Jesu Sicht: Jeder Mensch zählt

Jesus selbst hat sich immer wieder mit Menschen abgegeben, die andere mieden: Zöllner, Ausländer, Unreine. Für ihn war nicht entscheidend, woher jemand kam, sondern wohin er wollte. Wer offen für Gott war, dem begegnete er mit Wertschätzung – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Status. Das machte ihn unbequem für die religiöse Elite, aber glaubwürdig für die Ausgeschlossenen.

Ein Fremder wird zum Vorbild

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37) zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Jesus den Begriff „Nächster“ neu definiert. Ein Mann wird überfallen und liegt halbtot am Straßenrand. Ein Priester und ein Levit – religiöse Vorbilder – gehen achtlos vorbei. Erst ein verachteter Samariter bleibt stehen, hilft, versorgt, kümmert sich. Ausgerechnet der Fremde wird zum Vorbild.

Nächstenliebe

Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter erklärt, wer mit „dem Nächsten“ gemeint ist.

Jesu Pointe ist klar: Nächstenliebe bemisst sich nicht daran, ob jemand zur eigenen Gruppe gehört, sondern ob man bereit ist, einem Bedürftigen zu helfen – unabhängig von Herkunft, Religion oder Nationalität.

Der Text trifft einen Nerv: Die Liebe zu Freunden und Familie ist nichts Besonderes, die hat fast jeder (Matthäus 5,46.47). Aber die Liebe zu Fremden – oder gar zu Feinden – ist die Form der Liebe, die Gott uns lehren will. Genau darin zeigt sich, ob unser Glaube über kulturelle Grenzen hinausgeht.

#

Paulus: Gemeinde ohne Grenzen

Paulus macht deutlich, dass in der christlichen Gemeinde keine nationalen oder ethnischen Schranken mehr gelten: „Es ist hier nicht Jude noch Grieche, nicht Knecht noch Freier, nicht Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus“ (Galater 3,28). In Epheser 2,19 schreibt er an Nichtjuden: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“

Was bedeutet das für uns?

Heißt das: Alle müssen jeden aufnehmen, ohne Rücksicht auf Gesetze oder Belastungsgrenzen? Nein. Die ethischen Maßstäbe der Bibel zielen nicht auf politische Steuerung, sondern auf persönliche Verantwortung. Sie stellen klar: Fremdenhass, Abwertung, Diskriminierung – das geht nicht. Wer den Menschen die Würde abspricht, widerspricht Gottes Sicht. Und wer seine Nächstenliebe nach Herkunft sortiert, hat das Evangelium nicht verstanden.

Gast auf Erden

Identität

Unsere wahre Heimat und Identität ist nicht in einer bestimmten Region oder Nationalität zu suchen.

Ein letzter Gedanke: Die Bibel sagt, dass auch Christen „Gäste und Fremdlinge auf Erden“ sind (Hebräer 11,13). Ihr „Bürgerrecht ist im Himmel“ (Philipper 3,20). Stell dir vor: Du reist mit leichtem Gepäck durch ein fremdes Land, sprichst nicht die Sprache, kennst die Kultur kaum – und jemand reicht dir ein Glas Wasser oder lächelt dich an. So ein Mensch sollst du für andere sein. In Gottes Augen sind wir alle auf der Durchreise – das hilft, mit mehr Demut auf „Fremde“ zu schauen. Und Liebe bleibt das größte Gebot – egal, woher jemand kommt.

Vielleicht begegnet dir heute jemand, der anders ist, fremd wirkt, nicht ins Raster passt. Du musst nicht alles verstehen. Aber du kannst dich fragen: Was würde ich mir wünschen, wenn ich dieser Mensch wäre? Wer diese Frage ernst nimmt, wird sicher menschlicher handeln.

Fazit

Die Bibel rechtfertigt keine Abschottung und keinen übertriebenen Nationalstolz. Sie ist ein Buch der offenen Herzen. Wer sie liest, ehrlich und ohne Angst, wird feststellen: Gott kennt keine Fremden. Für ihn zählt nicht, woher jemand kommt, sondern wer er ist – ein Mensch, geschaffen zu seinem Bild. Und für sie alle gilt sein Gebot: „Du sollst ihn lieben wie dich selbst.“

Weiterlesen

Vertiefend zu diesem Thema lohnt sich ein Blick auf unseren Artikel Welche Gesetze des Alten Testamentes gelten auch für Christen? – dort erfährst du, warum Gebote wie das zur Fremdenliebe auch heute noch biblisch relevant sind.


Du hast eine bestimmte Frage? Teile uns diese mit - wir werden uns bemühen, sie zu beantworten.
An welche Adresse dürfen wir unsere Antwort senden?
Kennst du schon unser unverbindliches und kostenloses Kursangebot? Klicke hier, um auf unsere Kursübersicht zu gelangen
Zur Liste aller Fragen

Noch keine eigene Bibel?

Dann lass dir doch eine schenken.

Jetzt anfordern

×