Die Reformatoren: John Wycliff (1324 – 1384)

Er ist der Morgenstern der Reformation, der reformatorische Vordenker. Er wagt es auszusprechen, was andere nicht einmal zu denken wagen. Wycliffs innovative Gedanken sprengen jeden vorstellbaren Rahmen. Die Themen, die er anpackt, klingen in den Ohren des Papsttums wie die zischende Zündschnur, an deren Ende das Dynamit lauert. Nichts anderes als eine Explosion kann die Folge seiner zündenden Vorlesungen an der Universität in Oxford sein. Das bisherige kirchliche System wird in den Grundfesten erschüttert und droht einzustürzen. Wie kommt es dazu?

Missstände

Wycliff analysiert messerscharf die Ursachen der Verweltlichung der Kirche seiner Zeit. Kirchliche Lehren widersprechen den Urschriften der Heiligen Schrift. Mitunter wird das Gegenteil dessen gelehrt, was Jesus seinen Jüngern mitteilte. Geistliche Würdenträger leben in Verschwendung, Luxus und Unmoral. Das Volk ist angewidert von den zu Himmel schreienden Praktiken seiner kirchlichen Oberen. Aber gibt es eine Alternative? Gibt es einen Ausweg aus dieser Misere?

Wycliff zeigt nun Wege auf, um eine Reform des Papsttums einzuleiten. Er prangert den luxuriösen Lebensstil des geistlichen Adels an, der Bischöfe und Kardinäle. Wie kann man diesem Übel abhelfen? Warum besitzt die Kirche solch einen Reichtum? Woher kommt das?

Wann immer ein weltlicher Adeliger im Sterben liegt, eilt sein Beichtvater an das Sterbebett. Keiner weiß besser als dieser die Sünden des Sterbenden, der auf seiner Burg, auf seinem Schloss, in Saus und Braus gelebt hat. Eindringlich wird dem um Atem Ringenden vorgemalt, wie würdelos sein Lebenswandel war und wie schwer es sein wird, mit solch einer negativen Vergangenheit Einlass bei der Himmelspforte gewährt zu bekommen. Der Angstschweiß steht dem Sterbenden auf der Stirn. Nun bekommt er ein lukratives Angebot. Er möge in seine Zukunft investieren. Je mehr er jetzt von seinem Besitztum der römisch-katholischen Kirche – dem Papsttum – verschreibt, desto eher sind die Chancen, Jahre im Fegefeuer verkürzt zu bekommen. Jetzt lebe er noch, jetzt könne er sein Besitztum noch Gott geben. In Kürze erbt es ein anderer und was wird dann aus ihm? Schnell wird ein Dokument vom Sterbenden unterzeichnet und Grundstücke enormen Ausmaßes, Immobilien jenseits des Vorstellbaren, wechseln in letzter Minute den Besitzer. Das Papsttum lehrt: Was der Kirche gegeben worden ist, wurde Gott gegeben und kann deswegen nie mehr zurückgefordert werden. Sonst würde man Gott berauben. Mit diesen gotteslästerlichen Lehren hat die Kirche jener Zeit Besitztümer angehäuft, die alle Wertvorstellungen sprengen. Der Reichtum wächst Jahr um Jahr. Mit der materiellen Wertsteigerung wachsen die Verschwendung und die Unmoral der Geistlichkeit.

Reformvorschläge

Was ist die Lösung? Wycliff hat die zündende Idee. Die Kirche muss wieder arm werden, wie zur Zeit Jesu und der Apostel. Dann wird als Folge auch das kirchliche Personal gesunden. Man nehme der römisch-katholischen Kirche die Reichtümer weg und sie wird sich auf das ursprüngliche Evangelium besinnen und nicht wie jetzt den weltlichen Adeligen nacheifern, um deren üppigen Lebensstil nachzuahmen. Die auf diese Art und Weise freigewordenen Güter setze man für die Fürsorge der Armen ein. Solche Gedanken werden vom weltlichen Adel begeistert aufgegriffen.

Als Rom solche Lehren vernimmt, steht Wycliff ganz oben auf der Abschussliste. In den Augen Roms ist er ein Ketzer, der sofort beseitigt werden muss. Doch als Universitätsprofessor für Theologie an der Universität in Oxford hat Wycliff einen besonderen Ruf. Rom setzt alles in Bewegung, um ihn auszuhebeln. Stück um Stück wird an seinem Stuhl gesägt. Er verliert seinen Lehrstuhl an der Universität. Doch der ausgestreute Samen unter den Studenten beginnt bereits zu keimen. Eine neue Führungsgeneration wächst heran, begeistert von den Ideen und Lehren Wycliffs. Der von Wycliff ausgestreute Same sprießt und wird Frucht tragen. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit. Von England strömen diese Ideen nach Mitteleuropa, nach Prag. Wycliffs Erkenntnisse sind sein Erbe, das er an die nächste Generation weiter vermittelt. Als der Vordenker stirbt, leben seine Gedanken weiter. Sie sind unsterblich.


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